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Der Januar 2010
Wolfgang Petry: "Ruhrgebiet"

Das Ruhrgebiet. Jenseits von Afrika, der Farbe lila und dem Piano, dafür mit Pommesbuden, Murmeltiertagen und Toto und Harry. Wie alle Großen meiner Zunft sehe auch ich meine Heimat nicht als Chance, sondern als Schicksal.
Die Menschen an Rhein und Ruhr sind erfolgsverwöhnte Kosmopoliten, begreifen Arbeit als Kraft mal Weg und engagieren sich für den Schutz der heimischen Kohlmeise.
Sie haben den höchsten IQ, das höchste Bruttoinlandsprodukt und einen außerordentlich guten Geschmack in Sachen Kik-Streetwear.
Obwohl sie überall auf der Welt beliebt sind und keine natürlichen Feinde haben, registrieren sie sehr wohl, daß sich zwischen den bewundernden Blicken aus Berlin und Hamburg gelegentlich auch neidvolle verbale Spitzen aus München und Düsseldorf hinzugesellen, was ich verstehen kann, denn seit dem 1.1.2010 sind wir auch noch Papst!
Ich denke, daß mich das Jahr 2010 weit nach vorne bringen wird, denn während du immer noch Deutschland bist, bin ich längst Kulturhauptstadt.
Ich habe das große Glück, mit rußgeschwärzter Wäsche zwischen Fördertürmen und Kohlehalden zu leben, denn das Ruhrgebiet ist eine Region, in der man keinen Wert auf Klischees legt und seine Brieftauben noch ohne Vorurteile fliegen läßt. Taubenzüchterehen sind schöne Ehen. Bei einer Flasche Pils und einer guten Currywurst wird abends über Fußball geredet und tagsüber malocht. Natürlich wird auch Musik gemacht, traditionell die hochmoderne, visionäre Kost.
Auf jeden Mann kommen 2,3 Schifferklaviere, 1,7 Mandolinen und 8,9 Mundharmonikas, was zu zeitlichen Problemen führen kann, denn statistisch singt jeder Einwohner bereits in 4,3 Shanty-Chören. Das einzige gesungene Lied im Ruhrgebiet ist "Glückauf Glückauf, der Steiger kommt". Andere schöne Lieder wie "Komm mal lecker unten bei mich bei" oder "Finger im Po, Mexiko" sind pure Einbildung.
Jeder hier arbeitet als Bergmann, und wer einen anderen Beruf hat, der lügt.
Am Wochenende tanzt der Bergmann Disco-Fox im Gazprom-Hemd. Früher tanzte er Samba im Schalke-Trikot, dann brachte der Strukturwandel Michael Wendler, Mickie Krause und Kevin Kuranyi. Der Kohlenkumpel ist das einzige Lebewesen, das gleichzeitig Disco-Fox tanzen und dabei eine Currywurst essen kann, während die anderen Lebewesen oft aussehen wie zehn nackte Frisösen.
Schön wohnen kann man hier. Alles in der Nähe, keine großen Wege. Jedes Haus von Duisburg bis Dortmund wird linker- und rechterhand immer von Stahlwerken gesäumt, am Straßenende steht stets ein Kühlturm, im Rücken befindet sich die Kläranlage, durch den Garten rattert der Güterverkehr, obendrüber die Autobahn, und nur 80 Meter unter dem Idyll gräbt der Bergmann im Schweiße seines Angesichts auf Sohle 7 einen Stollen.
Schön wohnen kann man hier, allerdings gibt es im Ruhrgebiet keinen einzigen Baum. Die Luft ist rußig, so rußig, daß die Nylonstrümpfe davon kaputtgehen. Im Sommer müssen daher alle Bewohner zum Entgiften an die Nordsee fahren. Man kann sie in El Arenal husten hören.
Wenn fremde Menschen dieses Husten hören oder mit mystischen Worten wie "Bottrop", "Gelsenkirchen" oder "Oberhausen" konfrontiert werden, erzeugen sie oft Würgegeräusche, anstatt den roten Teppich auszurollen.
Wie mag sich nur der Bergmann dabei fühlen, das Brauereipferd, oder der Typ, der in der Straßenbeleuchtung immer das Petroleum nachfüllt?
Ich glaube, durch den Nacktscanner betrachtet ist das Ruhrgebiet eine Region, von der die meisten echt keine Ahnung haben.

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Der Dezember 2009
Karussell: "Ehrlich will ich bleiben"

Manchmal sitze ich nachts in Unterwäsche in meiner Küche, höre die erste Platte von KISS und starre vor mich hin, ich meine, ich bin nicht weise oder sowas, aber ich hab halt konkrete Vorstellungen von einem aufrichtigen Leben.
Gelegentlich bringe ich die Leute damit zum Lachen. Vor ein paar Tagen kaufte ich mir auf dem Weihnachtsmarkt einen Backfisch. Dabei entstand folgendes Verkaufsgespräch:
"Einen Backfisch bitte. Sind da Gräten drin?"
"Ja."
"Gut, dann nehm ich einen."
Was die umstehenden Passanten hörbar amüsierte, war von mir allerdings weder witzig gemeint, noch lustig gedacht, noch komisch vorgetragen, sondern lediglich Ausdruck meiner Hochachtung für unkonventionelles Verkaufspersonal. Mit meiner Kaufentscheidung honorierte ich eine ehrliche Antwort im gleichen Maße, wie ich zum Beispiel das Mercedesfahren bestrafe, indem ich einfach ganz bescheuert fahre, wenn hinter mir einer auftaucht.
Wie ein weiser König möcht´ ich richten
im Schlosse möcht´ ich wohnen
den doofen Menschen Lehrer sein
und Redlichkeit belohnen.
Leider erfordern noble Gesten manchmal Opfer. Das Brötchen war aus Pappe, das Fett schmeckte nach Motoröl und das Innere meines frittierten Freundes erinnerte an das Äußere eines Seeigels. Während sich die ersten Gräten in meinem Hals festsetzten, ritzten mir die anderen das Zahnfleisch auf. Ich hab schon besseren Fisch gegessen, aber wenigstens wurde ich nicht belogen.
Glücklicherweise haben auch die Politiker inzwischen eingesehen, daß Lügen in der heutigen Zeit völlig out sind, wie man auf dem jüngst beendeten Klimagipfel in Kopenhagen eindrucksvoll erleben durfte. Mit einem scharfsinnigen Gespür für Realismus bewerteten die Protagonisten ihr Verhandlungsergebnis als vollen Erfolg, was sich mit meiner Vorstellung, Probleme dadurch zu lösen, indem man sie zumindest schon mal locker anspricht, bis zu zwei Grad deckt. Und auch, wenn diese lästige Klimageschichte jetzt super läuft und wir uns nach dem erfolgreichen Gipfel keine Sorgen mehr zu machen brauchen - gäbe es einen einen amerikanischen oder chinesischen Megajesus, der zugibt, daß die einheimische Wirtschaft wichtiger ist als der gelbe Schnee - er wäre mir nicht unsympathisch. Wenn es nach mir ginge, sollte Ehrlichkeit immer belohnt werden.
"Sie sagten gerade, daß diese Wohnung asbestverseucht ist, wann könnte ich denn einziehen?"
"Da du mir die 1000 Euro, die ich Dir leihen soll, sowieso nicht zurückzahlen willst, gebe ich dir das Geld natürlich gern."
"Ach so, Sie haben eine Geschlechtskrankheit - meine Dame, dann können wir gern ein bißchen rumficken!"
Im Ernst, wäre ich Präsident von Hertha BSC, hätte ich genau den Trainer eingestellt, der gesagt hätte, daß er mit dieser Mannschaft den Klassenerhalt auf keinen Fall schaffen wird. Ich würde auch total drauf stehen, daß, wenn meine Frau mich betrügt, ich einen Anruf von ihr bekäme, während sie mit ihrem Lover eine Nummer schiebt, verdammt, was für ein Vertrauensbeweis! Vetrauen und Ehrlichkeit sollten auch das Verhältnis zwischen Autor und Leser bestimmen.
Wenn Ihnen also diese Kolumne gefallen hat und das Ihre ehrliche Meinung ist, können Sie mir das gerne mitteilen, echt, ich hab da kein Problem mit.
Wenn Ihnen die Kolumne nicht gefallen hat, können Sie mich, ehrlich gesagt, besser in Ruhe lassen.


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Der November 2009
Budgie: "You´re The Biggest Thing Since Powdered Milk"

Jedes von den zwei Geschlechtern
ist allein schon schlimm genug
Wieso die noch zusammengehn
war, was ich mich jüngst frug

Warum wohl Mann und Frau sich
eine Beziehung nicht erspar´n
denn - da können Sie ein´ drauf lassen
es wird nicht besser mit den Jahr´n

Schuld sind auch Veränderungen
ach, sein wir bitte offen
auseinander geh´n nicht nur Interessen
auch Körper sind betroffen

Wo einst so schöne Kurven waren
ist heute nur noch Haufen
die einzigen Gemeinsamkeiten
sind Fernsehen und Saufen

Wenn sie schon seine Fresse sieht
die aufgeduns´ne Fratze
den unförmigen Eierkopp
mit dieser blöden Glatze

Dann denkt auch er, just währenddessen
gestärkt von vielen Bieren
Ach, würde sich die dumme Kuh
mal wenigstens rasieren

Stattdessen liest sie Bücher und ißt Obst
die blöde Sau
statt seinem Gelaber zuzuhören
Was ist nur mit der Frau?

Es wußte schon Herr Wowereit
das muß der Neid ihm lassen
daß Mann und Frau ja eigentlich
gar nicht zusammenpassen

So kommt es, daß in mancher Nacht
vor lauter Glück ich weine
Beziehungen sind manchmal sonderbar
Gottseidank nicht meine

 

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