LYNYRD SKYNYRD
PRONOUNCED LEH-NERD SKIN-NERD
(USA 1973)

Duisburg, 14 Uhr mit Hitze. Perfekter Halt mit dem richtigen Shampoo. Es tut gut, mal wieder perfekt frisiert zu sein.
Schweiß, das große Thema. Drei Lösungsvorschläge: Viel Whisky, viel Deo, viel Südstaatenrock. Für schwüle Sommertage gibt es nichts Besseres, schön im Schatten Fußballkucken einmal ausgenommen. Über Fußball kann man reden, über Südstaatenrock nicht. Es gilt das alte Motto, das keinen Widerspruch duldet: "Gern trag ich mein Schamhaar - nach Texas und Alabamaar", hehe, gut, ne? Oder der hier: "Brennt in Florida the wood - is that da, wo man nich stayen should."
Leute, ich fühle ein großes Kalauer-Revival kommen! Es wird größer sein als alle Heinz Schenks und Heiter Bis Wolkigs vorher! Aaah, ich kann sehen! Ich habe eine Vision! Aaah! Boink. Ein komischer Film.
Dann kommt das schwarze Loch und alles stinkt nach Leberwurst. Menschen verändern sich, mutieren zur unappetitlichen Fratze der Fun-Generation. Urschleim mit zwei Löcher kommt wieder in Mode. Ein Urschleim für das Foto im Paß, ein Loch für Pipi und AA, ein Loch zum Reden bei Bärbel Schäfer.
Andere widerum gehen zu Konzerten von Antiseen. Vielleicht, weil sie nicht wissen, wo man richtigen Südstaatenrock hören kann, vielleicht, weil sie beim Tanze was zum Nudeln sichten wollen. Fifty-Fifty, wie alles im Leben. Wißt Ihr, was ein alter, erfahrener Mann in so einer Situation machen würde? Ich sag´s Euch: Erstmal putzt er nackt die Wohnung. Dann schließt er sich ein in seinem Musikzimmer, serviert sich einen Drink und schmaucht mit Genuß einen guten Zigarillo, sagen wir ab Al Capone Pockets aufwärts. Dann sitzt er da rum und dann ist er der King, ehrlich. Erste Liebesofferten von den heißen Ladies da draußen trudeln so langsam ein, werden aber cool abgewiesen. Die Sonne geht grad schräg unter und verlangt ungeteilte Aufmerksamkeit. Durch die vergilbten Gardinen schimmelt die Sehnsucht und das Plastik auf dem Plattenteller erzählt die alte Geschichte von besoffenen Musikanten, dem Leben auf dem Land und wie man sich beim Pissen an einem Kaktus verletzen kann.
Es ist die Southern-Rock-Zeit im Leben eines Mannes und Lynyrd Skynyrds Erste ist ein gewaltiger Meilenstein für Musikperverse wie mich. Ein gigantisches Strohfeuer, ein akustischer Kuhfladen, ein unglaublich gutes Gedudel von aufrichtigen Patrioten (im amerikanischen Sinne des Wortes ohne Wertung). Ursprünglich war das alles mal Blues, Cajun und Country gewesen; Lynyrd Skynyrd kreierten daraus ihre eigene, teils arg pathetische Sumpf-Pampe. Ihre wichtigsten Duftmarken zum Mitschreiben: Drei Gitarren, Spitzenrock und Ronnie Van Zant am Mikro. Es sprach für seine schöne Stimme, daß das Publikum gerne da blieb, obwohl der kleine Mann live ja immer barfuß sang. Mir war direkt klar: So einen mußte ich selber züchten und die Zeit dafür war nun gekommen: Ich war zwanzig, bekam eine solide Ausbildungsvergütung und hatte schon 115 Mark auf dem Konto. Eine Freundin hatte ich auch, was aber egal war, da ich die Sache zur Not auch ohne sie durchziehen wollte. Mein erster Sohn sollte also Ronnie heißen, Ronnie, und dann noch irgendwas, nicht nur Ronnie ohne alles. Ich dachte: Tom, altes Haus, tu uns allen einen Gefallen und laß Dir einen schicken Appendix einfallen! Gesagt, getan, und plötzlich kam mir die Idee: Ronnie Doc Tonk, na, wie klingt das? Ich stellte mir das ganze als eine Art Schriftzug vor, ein Warenzeichen, über dem -ähnlich wie beim Rockpalast-Logo- ein beidseitig schießender Blitz herumkurvt. Wie gesagt, Ideen waren vorhanden, doch leider wurde Ronnie Doc nie geboren. Schade für Deutschland, kann ich da nur sagen. Ich hatte soviel schöne, konkrete Pläne mit dem Filius, daß da sicherlich einer rausgekommen wär, der mir die Rente bezahlt. Schon als kleinen Köttel hätten sie ihn ehrfürchtig umschwärmt, da bin ich mir sicher. Bei seiner Einschulung wäre er der einzige ohne Schultüte gewesen, hätte aber mit Matte und Kotletten erste Akzente gesetzt. Dazu, leicht verwegen, einen kleinen Zigarillo im Mundwinkel. Und wenn dann so´ne fusselige Pädagogin völlig irritiert "Hör mal, kleiner Ronnie Doc, darfst Du denn schon Whisky trinken?" gefragt hätte, wäre mein Ronnie immer Gentleman geblieben und hätte vielleicht gesagt: "´n Morgen, Ma´am! Probleme?"
Mann, wär das ein Fest geworden! Später hätten wir uns die Frauen geteilt und zusammen Musik gemacht, schnief. Einen Hit nach dem anderen hätten wir geschrieben, Lieder von den Devil Dogs (Suck The Doc) hätten wir nachgespielt, seufz.
Spiel das Lied noch einmal, Sam! Denk an die alten Zeiten.
Give it to me: "Wir hatten alle Trümpfe in der Hand, Du hattest Geld, ich den Verstand, doch dann bist Du mir weggerannt, Du Sau, dibidi dibidi shalala." Schluß. Aus. Kein Kind.
I Ain´t The One singt www.ronnie.com-wieder auf dieser Platte, unterlegt mit einem 9/34-tel Beat. Dieser Takt an sich ist ja schon ein Statement gegen Punkrock, aber das bin ich ja auch.
Das Cover kann man aufklappen. Und sich Texte antun und Fotos von Haaren. Haare waren früher wirklich in aller Munde, echt toll! Die sahen alle aus wie Hippies! Doch anstatt im ursprünglichen Akt verknotet cool ´ne Tasse Tee zu trinken, hielten sich die rauhen Kojoten lieber am Poison Whisky schadlos. Logo. Whisky regiert die Rübe.
Und weil Whiskytrinken und Landwirtschaft so unglaublich viel Stil haben, gründeten Herr Oberpichler und ich den Lynyrd Skynyrd-Gedächtnisfond und trafen uns ´ne zeitlang im Keller der Familie. Dort war es viel schöner als in der Oberwelt, da ein Mensch mit Geschmack die Wände mit Wichsvorlagen tapeziert hatte. Asiatische Anmutigkeiten, die Vulva teils mit Blumen, teils mit Schamhaar bedeckt. Weiter nördlich sah man schöne, kleine Brüste, ´ne handvoll eben. Junge Dinger, etwa mein Alter. Fast hätte ich ihnen Namen gegeben. Sicher wäre dabei sowas originelles wie "Lotusblüte" herausgekommen, aber selbstverständlich waren mir die Brummer völlig egal. Aber total. Super unwichtig, die Ladies. Keine Schnitte. Ich wollt´s nur mal gesagt haben.
Da wir ja dienstlich dort unten waren, hatten wir ohnehin nur Sinn für das Wesentliche. Die Schicht begann wie immer mit einem kleinen Umtrunk. Dann hörten wir freiwillig alle sieben Platten unserer Helden durch, soffen Scotch und Rotwein wie die Löcher und sprangen irgendwann zu später Stunde noch hackevoll, aber mit Elan, in die Hecken des Altenheims Saarner Straße. Dieser Südstaatenrock ließ es uns definitiv gutgehen und zuweilen (Tuesday´s Gone) auch sentimental werden.
Bis heute haben die ollen Platten der Behaarten nichts von ihrem Herzblut verloren und wer mal ein paar gute Gitarren hören möchte, kommt an den Southern-Flitzfingern sowieso kaum vorbei.
Lynyrd Skynyrd standen stellvertretend für Bands wie Molly Hatchet, ZZ Top, Blackfoot, Outlaws oder Point Blank (mit Abstrichen auch noch 38 Special, Marshall Tucker und die Allman Brothers - aber auch nur, damit diese Namen mal in so einem Buch stehen), die allesamt bis ungefähr 1981 ihr Handwerk mit Gefühl verbanden und nicht nur Rockers und Bikers damit eine große Latte bescherten.
Im Herbst 1977 stürzten Lynyrd Skynyrd während ihrer US-Tournee mit einem schlechten Flugzeug ab und drei (unter ihnen der Ronnie!) flatterten direkt weiter in die ewigen Jagdgründe. Sofort wurde das Cover der damaligen aktuellen Platte Street Survivors verboten, weil es die Band mit Feuer an den Klamotten zeigte, aber auch weil Punk kam und total losging in den Leuten von früher. Kennt Ihr doch, Punk, oder? Denkt mal nach, da habt Ihr bestimmt schonmal was von gehört! Ein Tip: Die bekanntesten Gruppen waren The Sex Pistols und die The Strassenjungs und ich weiß auch, daß man die Anhänger der Musik und / oder der Bewegung "Punkers" nennt. Auf der anderen Seite habe ich keine Ahnung, wie das Wort "Punk" in einen Artikel über Lynyrd Skynyrd rutschen konnte, aber vielleicht rutschen ja eines Tages auch Lynyrd Skynyrd irgendwo hin.

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