BAUER, GARN & DYKE
HIMMEL, ARSCH UND ZWIRN
(BRD 1982)

Viele meiner Bekannten sind mit Punkrock aufgewachsen. Ich wollte allerdings nie einsehen, was daran gut sein soll, seine Jugend dem primitiven Gehacke zu schenken, sich häßlich zu machen und Anarchie zu wählen. Sowas hat Zeit bis zur ersten Midlife-Crisis.
Bei mir war das so: Ich wurde vom elitären Clan der Zeugen Orang Utans ausgebildet, einer Glaubensgemeinschaft mit eigenem Clubheim und ordentlichen Sanitäranlagen. Die Maxime war, mit möglichst wenig Aufwand möglichst tief abzukacken.
Als ich 18 war, erschien mir Jim Morrison im Schlaf. Er meinte, diese Sektenscheiße sei was für Weicheier und befahl mir in Englisch, mehr für´s Image zu tun und endlich mit dem Wichsen aufzuhören. So I did what I did for Maria.
Ich entdeckte Whisky für neun neunzig, Wein aus dem Tetra-Pak und war soweit einverstanden mit dem Kapitalismus. Neue Möglichkeiten taten sich auf. Plötzlich brauchte man nicht mehr soviel Bier mitzuschleppen, im Gegenteil: Meist hatte man sogar noch eine freie Hand übrig, mit der man rauchen konnte. Soundtrack dieser vergeudeten Jugend war hauptsächlich unbefangener, zeitloser Rock´n´Roll ohne Attitude, denn an Randgruppen ohne Lobby hatten sowohl mein Leidgenosse Zepp als auch meine Wenigkeit schon immer den meisten Spaß.
Unsere Ernährung bestimmte maßgeblich der Dr. Feelgood, leider -das muß man auch mal sagen- verbunden mit immens wuchernden Folgekosten, hick. Wozu sich auch mit radikalem Liedgut anfreunden, wenn man noch mit den Spätauswirkungen der Pubertät zu kämpfen hatte und Ferien in Cambodien eh keine Sau interessierte? Eben, und jetzt bitte viel Majo auf die Pommes!
Eine der damaligen Lieblingsplatten hat auch heute, 20 Jahre nach ihrer Geburt, noch nichts von ihrem Witz, der Energie und dem Geist eingebüßt. Und das ist gut so.
Das zweite und zugleich letzte (Schlappschwänze!) Album von Bauer, Garn & Dyke ist die berühmte Granate, die Akustikbibel für jeden echten Fuzzi, der intellektuell was auf dem Kasten hat. Genau wie Blood, Sweat & Tears bestanden Bauer, Garn & Dyke aus drei gesunden Männern. Hannes Bauer ist dem ein oder anderen vielleicht noch als Gitarrist von Udo Lindenberg bekannt und wer jetzt "iiiih, ein Udo!" schreit oder denkt, verläßt jetzt bitte mal sein Land. Eine andere Lichtgestalt der deutschen Rockmusik, Achim Reichel, stand mit seinem hauseigenen Gorilla-Musikverlag Pate für die beiden veröffentlichten Platten des Trios, das übrigens -inzwischen unter dem Namen Orchester Gnadenlos- mit leicht veränderter Personalabteilung immer noch aktiv ist. Ist auch besser für die Jugend.
Auf dem Album Himmel, Arsch & Zwirn gibt es neunmal den Feuchte-Hosen-Overkill, lediglich der etwas altbackene Bierblues Die Spinne will nicht so recht zünden. Sonst aber ist alles im Lot und der Hörer versinkt in einer Lifestyle-Oase, wo Mädchen, Rock´n´Roll-Gigs und eine gewisse Naivität den Alltag bestimmen. Los geht´s mit dem Sabbel-Buggie und dem historischen Vers "der Lehrer flucht rum, Hausaufgaben nicht gemacht, dafür war es aber schön mit Roswitha gestern Nacht". Ich hatte natürlich nie ´ne Roswitha am Start, geschweige denn ´ne Gabi, obwohl sie wollte und ich auch, ach scheiße, selbst die Anzahl der blaugemachten Stunden betrug mal höchstens zwanzig Prozent vom Angebot, aber für so´n spirituellen Ausflug nach Rebellhausen (mit Rückfahrkarte please) tat es eben auch mal eine Roswitha. Yeah! Das war auf jeden Fall mehr Wild Boys als das, was uns die öligen Popper von Wham zur gleichen Zeit verkaufen wollten und schließlich war es auch wichtig, irgendwie. Immerhin stand ein Ruf auf dem Spiel : Niemals ein angepaßter Buchhalter sein, sondern trinken, lachen und auf der sunny side of the road den hübschen Mädchen auf den Hintern glotzen - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Wir fanden, daß das sensationelle Idee war und machten uns gleich an die Arbeit. Rock´n´Roll und das Kokettieren mit leeren Taschen, leeren Betten und leeren Lehrern war fortan Lebensphilosophie, damals, irgendwo zwischen Blues und Punk in Duisburg.
Rock´n´Roll Musketiere, der zweite Song der Platte, handelt davon. "Wir sehn die Welt erst richtig gut im Dunkeln und wenn draußen die ersten Sterne funkeln, ist der Laden voll, es gibt Rockenroll, und dann haun wir rein."
Oh Du süße Jugend! Es kam, was kommen mußte: Nach einer ausgefeilten Korn´n´Bier´n´Kümmerling-Kneipkur göbelte ich mein Bett voll. Dabei lernte ich, wie man in der eigenen Kotze entspannt weiterpennt. Scheiße, wir hätten uns ´ne Karre klauen und abhauen sollen! So´n Hobel, wie ihn der Protagonist in Hallo Jo fährt, und damit direkt durchbrettern bis Indien, das wär´s gewesen! Dann sitzt´te da rum und hass mit nix mehr wat am Arsch! Kannze Dich selber bei entdecken bei, kannze durchdringen nach andere Sphären. Lernze natürlich auch keine Weiber bei kennen, auch wieder wahr.
Ich glaube, es war richtig, einfach zu Hause zu bleiben und schön zu Fuß zu gehen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis wir auf der Lauenburger Allee unser Traumgirl treffen würden, da wir ja schon wußten, um wen es sich handelt. Sie hieß Marleen und Hannes Bauers Sturm- und Dranghose ließ ihn ungeahnte litararische Doppelböcke schießen. "Bei uns kann die Post auch ohne Marken abgehn" hört man ihn flehen, den guten Mann und glaubt das dann irgendwann auch.
Als wir dann im warmen Nieselregen im besoffenen Kopp immer öfter von quietschenden Autos angehupt wurden, hatten wir das ungute Gefühl, daß der billige Whisky von Edeka zur Erblindung führen könnte, wenn man, so wie wir, jeden Tag davon eine Flasche trinkt. Auf Blindsein hatten wir echt total keinen Bock, also stiegen wir um zu Zippo-Wermut und den guten Lambrusco in der handlichen Zweiliter-Keule. Es war o.k. so. Wein, das hatte auch gleich was Kulturelles. Uns war bewußt, daß wir mit dem Lambrusco nun zur gehobenen Klasse gehörten.
Trotz unseres sozialen Aufstiegs blieb Himmel, Arsch und Zwirn natürlich unsere Lieblingsplatte, an der wir auch die B-Seite schätzten. Alte Autos und Rock´n´Roll ist ein Lied über eine Band und die Tatsache, daß der ADAC-Pannendienst irgendwie wohl mehr der Realität entspricht als teure Hotelbetten, Nutten und so´n Scheiß. An 1000 Elefanten gefiel mir immer besonders gut, daß wir nun auch keinen Ed van Halen mehr ertragen mußten, um von einem vernünftigen Baggerrock vollgepißt zu werden. Hardrock? Nun ja. Immerhin bezeichnete der Bauer himself seine Musik immer als Happy Metal und goß seinen Sermon fernab von irgendwelchen Dämonen der Finsternis mit Dextro-Energen: "Tja, und dann bin ich nach Essen gegangen, zu Friedrich Krupp, und hab zu ihm gesagt: Mensch Fritze, bau mir mal ´ne lange, sechs Doppelzentner schwere Eisenstange!"
Ja, liebe Bewohner aus Eisbeining an der Weißwurst - solche Sätze hört man hier im Revier eigentlich täglich! Tief im Westöööhn, wo die Sonne verstaubt, war Pyro-Manni mit seinen Zündelgriffeln schon fleißig zugange. Ein kritischer, aus der Hüfte geprügelter Ballermann über Brandstifter, Raucher und Feuermacher. Lonly Harz hingegen ist kein Lied über die Einöde zu Osterode, sondern vielmehr ein Appell zu gegengeschlechtlichem Treiben. Schön, denn ohne so´n Song braucht ´ne Band erst gar keine Platte zu machen! Überhaupt war Kuscheln ja schwer angesagt im Schmusejahr 82. Die Aussicht auf die am eigenen Boden stationierten Cruise Missiles, Pershings und dem längst in anderen Sphären herumflatternden Ronald Reagan ließ die Menschen in jenem Vorkriegsjahr enger zusammenrücken. Und auf einmal war sie dann da, die Frau für´s Leben, echt super war das. Aus heiterem Himmel kam sie plötzlich angeschwebt, wie das Haarmonster aus der Clausthaler-Reklame, hatte eine reelle Oberweite und sogar ein paar Mark auf Tasche. Die Kunst war nur, dem seltenen Vogel was zu bieten, damit er nicht gleich wieder abhaut. Gar nicht mal so leicht, wenn man seinen Penis eher zum Denken benutzt. Der Song Mit Dir geht es richtig gut los handelt von diesem ewigen, inneren Konflikt zwischen verpatzten Komplimenten, taktlosem Gelaber und gewöhnlichem Arme-Leute-Sex.
Was auch der Grund dafür ist, daß mir diese Platte nähersteht als Anarchie in England. Aber vielleicht gibt´s ja irgendwann mal Bauer, Garn & Rotten. Dann legen die los und retten die Welt. Ab dafür.

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