THE EVERLY BROTHERS
ALL I HAVE TO DO IS DREAM
(USA 1957-1963)

In der letzten Woche sah ich einen stotternden, steifen Mann im Armani-Anzug, der dem Mädchen, in das er verliebt war, von seinem immer wiederkehrenden Albtraum berichtete. Dieser beinhaltete, daß Mick, Keith und Ron ihn permanent bedrängen, bei den ROLLING STONES einzusteigen. Der Mann mit den bösen Träumen war der Berater des englischen Wirtschaftsministers beim G8-Gipfels in Reykjavik und der Mann, der ihn im Film spielte, war Bill Nighy.
Ein paar Tage später haben sie miteinander gevögelt, aber dessen ungeachtet frage ich mich immer noch, ob es nicht besser ist, wenn man manche Träume für sich behält.
Bei Sexträumen zum Beispiel sollte man vorher genau abwägen, ob man sie direkt in der Kneipe erzählen möchte oder besser nicht erstmal an der Supermarktkasse antestet. Immerhin besteht die Gefahr, daß sich die Zuhörer weder für Ihre Wundernudel noch für russische Physikstudentinnen interessieren und auch nicht wissen, was für eine Flöte Sie meinen.
Ich persönlich käme ja nie auf die Idee, meine nächtlichen, sexuellen Phantasien mit dahergelaufenem Fußvolk zu teilen. Vielleicht liegt es daran, daß ich nicht zu den Männern gehöre, die im Traum Sex mit Frau Klum oder Padberg haben (in der Realität allerdings auch nicht). Ich habe keine Ahnung, worauf ich diese genitale Fehlfunktion zurückführen könnte, aber ich bringe es einfach nicht über den Penis, irgendwelche Prominenz zu besteigen. Das bedeutet natürlich nicht, daß in meinen Träumen Frauenmangel herrscht, ha, keine Spur, ich möchte auch die Qualität von Frau Padberg und Klum keineswegs in Abrede stellen, aber eigentlich bin ich eher der Typ, der seinen weiblichen Bekanntenkreis belästigt.
Falls wir uns, meine Teuerste, also persönlich kennen und Sie eine schöne Nase haben, keine allzu ebenmäßigen Zähne besitzen und es mit der Oberweite nicht allzu sehr übertreiben, gehen Sie mal davon aus, daß ich schon in Ihnen drinsteckte.
Gelegentlich träume ich natürlich schon von Prominenten, allerdings in einem völlig züchtigen Kontext, was sich im Falle von Angela Merkel wohl von selbst versteht. Eines schönen Tages zeigte ich ihr die Gesamtschule Süd, genauer gesagt die beeindruckenden Außenmauern aus Waschbeton. Sie war fasziniert von den vielen rechten Winkeln, sagte permanent sowas wie "aha", "soso" und "sehr schön", selbst wenn ich ihr ein geöffnetes Kippfenster zeigte, und stellte viele Fragen aus gutem Stall. Ich kam nicht dahinter, ob ihre Anteilnahme Teil eines unsichtbaren Protokolls war oder ob es sie wirklich interessierte, in welcher Tonart der Schulgong bimmelt. Irgendwann setzten wir uns auf eine Bank, um eine zu rauchen. Ich stierte vor mich hin, während sie ohne Unterlaß rosa redete und ihren blumigen Ausguß mit unverbindlichen Gesten, wie sie in Pferde-Comics vorkommen, untermalte. Selten so gelangweilt, aber um das Gespräch in eine Richtung zu lenken, bei der ich nicht gleich einpenne, war ich viel zu müde. Klar, ich war ja auch am schlafen.
Am liebsten wäre ich sofort aufgewacht. Stattdessen ging ich mit Frau Merkel noch zu McDonalds. Ich nahm einen Milkshake, sie bestellte Fisch. Wir ergatterten den letzten freien Tisch zwischen Jogginghosen und Gelfrisuren und blieben ungestört, weil niemand in dieser Welt sie kannte. Als das Diner beendet war, sagte sie "so, ich muß dann mal weiter", stand auf, gab mir die Hand und ging zur Bushaltestelle. Ich erinnere mich, daß ich ihr lange nachschaute und daß sie die erste Frau war, der ich nicht auf den Arsch glotzte.
In einem anderen Traum hat mich Donald Rumsfeld besucht. Er wollte mal wissen, wie ich so lebe und welche Brötchen ich mir kaufe. Es war kurz nach der amerikanischen Irak-Invasion und obwohl Donald privat ein knuffigerer Kerl war als Angela Merkel, war mir nicht entgangen, daß es gewisse Leute, Organisationen, Staaten und Kontinente gab, die ihn nicht mochten. Ich fühlte mich für seine Sicherheit verantwortlich, was mir die Leichtigkeit raubte und dem Tag einen schalen Beigeschmack verlieh. Ich konnte nicht ausschließen, daß jemand ihm mit dem Panzer vor´s Gesicht schießt, und ich war mir ziemlich sicher, daß ich dann ebenfalls in der Scheiße stecke.
Donald war da wesentlich unbefangener als ich, lief wie ein Kind durch die Sträucher und Hecken am Blauen See, während ich vorsichtig das Gelände inspizierte, da ich hinter jedem Busch einen Trupp vollbärtiger Attentäter vermutete. Ich war nicht unbedingt scharf auf den III. Weltkrieg, kannte das Gefühl noch von 1979, als die Russen in Afghanistan einmarschiert waren und ich fest mit einer Eskalition rechnete. Das war echt ein saublödes Timing, denn zwei Tage zuvor hatte ich mir noch "Sheik Yerbouti" von Frank Zappa gekauft und war gerade dabei, sie Tag für Tag stückchenweise zu entdecken. Eine echte Frechheit von den Russen, mir diesen Spaß zu nehmen, doch die Uhr lief weiter und jetzt stand der Amerikaner vor der Tür.
Was mir aber echt auf den Sack ging, war mein beschissenes Englisch. Ich konnte ja schlecht den Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten bitten, seine Witzchen gefälligst in Deutsch zu machen, also verständigten wir uns mit Händen und Füßen und Englisch light. Am Ende des Tages saßen wir im SB-Center der Sparkasse auf dem Fußboden neben den Kontoauszugsdruckern und schnippten Spielkarten gegen die Wand. Ich war heilfroh, als Rumsfeld weiterzog. Ich gab ihm ein paar Kröten, damit er sich in der Stadt einen Döner kaufen konnte und versprach, ihn mal in Washington zu besuchen.
Ein paar Wochen später kam Herman Van Veen. Von allen Träumen ist dieser vielleicht der schönste, denn zwischen uns lag dieses zärtliche Gefühl, das sich immer dann einschleicht, wenn aus echter Zuneigung rationelle Freundschaft wird. Wir schauten Fernsehen in meinem Zimmer, aßen ein paar fettarme Cracker und ich bemühte mich, nichts Dummes von mir zu geben, um den Intellekt des sanften Holländers nicht zu beleidigen. Es funktionierte. Zwischen uns flossen kristallklare Bäche kühner Erkenntnisse, aufgelockert von platonischen Strudeln der ganz anderen Art, serviert mit einer Lieblichkeit, die unter Männern ihresgleichen sucht. Herman erwies sich als genau der sensible, zartfühlende Frauenversteher, der auf seinen Platten Lieder singt.
Das war auch für mich eine schöne Erfahrung, aber mit zunehmender Dauer des Abends war ich davon echt angepißt. Herman Van Veen hat den eindeutigen Nachteil, daß er Herman Van Veen ist. Man kann niemals zu ihm sagen "boh, guck mal, wat die Olle im Fernsehn für Titten hat", man kann in seiner Gegenwart nicht rülpsen oder erzählen, was man für Leute kennt.
Als es Zeit wurde, trank ich den letzten Schluck Rotwein, blies die Kerzen aus und dann sprangen wir zusammen in die Kiste. Ich hatte keine Skrupel, den weitgereisten Mann den Platz neben mir auf meiner alten, versifften Matratze anzubieten, aber ich überlegte lange, ob ich ihn bitten sollte, mir ein Autogramm auf eine LP zu kritzeln, damit dieser Traum wenigstens für irgendetwas gut war.
Ich tat es nicht. Das ärgert mich bis heute.

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