//die monatliche Kolumne im Netz und nur auf diesen Seiten//


Der Januar 2008
Guns´n´Roses: "Welcome To The Jungle"

Falls Sie immer schon mal wissen wollten, was ein Star privat gegen zweiundzwanziguhrdreißig in seiner Bude wohl so treibt, darf ich Ihnen mitteilen, daß ich vor dem Fernseher sitze. Dort schaue ich anderen Stars zu, wie sie Föten essen, mit stinkender Pampe übergossen werden und Spinnen anschreien.
In guten Momenten fliegen die Stars kreischend durch die Luft oder waten durch Kloaken aus Aalmus, Büffelwichse und Froschscheiße, aber meist liegen sie auf Mutter Erde, haben Hunger und Angst, und ihnen tropft Schleim aus der Nase. Wir schalten mal eben rüber.
Es regnet in Strömen und der Urwald macht Geräusche. Die bekannte Pferdefrisöse Gabriele Klötenschmidt hat nasses Holz geholt, dabei ist ihr BH verrutscht und zu Sabrina geflogen, die 1988 mal in einem Werbespot eine grüne Gießkanne hochgehalten hat.
"Die ist voll operiert" flüstert Lili Lulu zu, aber die hört gar nicht hin und heult. Sie weiß noch nicht, ob sie nach Hause will, aber die Chancen stehen gut. Seit eine Ratte ihren Teebeutel geklaut hat, ist die Stimmung gekippt. Lili hat vor ein paar Stunden aus Versehen Haargel geschluckt. Jetzt hat sie trockene Lippen und einen Hals auf Gabriele Klötenschmidt, weil die glaubt, Lili hätte ihren vierten Platz beim Schlagerbackgroundsängerinnennachwuchsfestival von Pirmasens nur ihrer Mutter zu verdanken, da diese doch in der Stresemannstraße Zeitungen ausgetragen habe und dementsprechend in den obersten Kreisen verkehrte, aber ihre Mutter ist schon 1997 aus Hartz IV raus und macht seitdem in Margarine, also wie, wie, also, wie soll denn bitteschön, nein, Gabriele, wie, kann vielleicht mal jemand, hallo?, wie, ist ja gar nicht wahr, jetzt mach aber mal´n Punkt.
Gabriele ist voll gemein, schon die ganze Zeit, außerdem ist Helmut heute Teamleiter. Alle finden, daß Helmut nicht in´s Team paßt, besonders Lili. In Kaufbeuren ist Helmut ein berühmter Filialleiter einer Krankenkasse, aber im Dschungel kennt ihn keine Sau, besonders Lili nicht.
Helmut hat Herpes und schlechte Nachrichten: "Einer aus dem Camp hat im Stehen gepißt!"
Jesus!
Das kann das Aus bedeuten!
Dann ist alles zu Ende!
Himmel hilf!
Helmuts Blick fällt sofort auf den bekannten Sackausdruckstänzer Joe, der mit Promisteuerberater Wolfgang Schulze-Müller auf einer Wurzel hockt und ein fiktives Schnitzel mit imaginärem Kartoffelpüree verzehrt.
"Wenn Kai nicht will, dann laß ihn doch" sagt Schulze-Müller, der eigentlich ganz andere Sorgen hat. Ihn hat ein Krebs in den Arsch gebissen.
Dirk Bach, der in seinem orangefarbenen Ganzkörperkondom aussieht wie eine aufgepumpte Rettungsboje, macht einen Witz über Krebse und Ärsche, und Schulze-Müller hat den Schaden und die Endziffer 01.
"Wenn Sie meinen, Schragutzki sollte bei der nächsten Dschungelprüfung Elefantenknödel kacken, wählen Sie die Endziffer 02, für Nupsnups die 03, für Blablablubb die 04.....und für Bata Illic die 95."
Um ehrlich zu sein, würde ich dann doch lieber zu Gina Wild tendieren, denn bis auf die völlig unattraktive Vollfrau kenne ich eigentlich niemanden, den man guten Gewissens wählen kann, auch wenn der völlig sympathische Roland Barrabas Koch aus Hessen da sicher noch einen Vorschlag hätte. Ich weiß zwar nicht, ob die Sternchen, die Herr Koch zur Zeit mit seiner eigenen Dschungelprüfung sammelt, für eine warme Mahlzeit taugen, aber ich trau den Stars schon einiges zu. Wen soll man also wählen als nicht Känguruhoden essender Bürger ohne Migrantenhintergrund?
Ich laß das wohl mal besser mit meiner Stimme. Wäre da wenigstens ein gelernter Staatsmann unter den Vollnasen, würde ich mir das vielleicht nochmal überlegen. So einer wie George Bush zum Beispiel. Der würde schon aufgrund seines Namens prima in den Dschungel passen. Und den kennt man wenigstens. Wo ist eigentlich Gabriele Pauli, wenn man sie braucht?
Es ist in ethischer Hinsicht nicht gerade vorbildlich, wenn eine Sendung "Ich bin ein Star - holt mich hier raus" heißt, aber keinen einzigen Star beinhaltet. Das ist überhaupt nicht gut für unsere Fernsehkultur. Es geht nicht nur um den gesellschaftspolitischen Auftrag, sondern auch um die völlig inakzeptable Zurschaustellung von C-Prominenz.
Ich könnte natürlich jederzeit zu "Big Brother" wechseln, aber da wäre ich ja schön doof. So ein niveauloses Zeug schau ich mir nicht an.


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Der Dezember 2007
Zwakkelmann: "Tabularasa machen"

Auch wenn man es meinen belanglosen Artikeln nicht unbedingt auf den ersten Blick ansieht, so zeugen sie doch von einer kreativen und seelischen Vollkommenheit, die unter sinnsuchender Literatur wohl ihresgleichen sucht. Falls auch Sie zu den sinnsuchenden freien Radikalen gehören und mal jemanden treffen möchten, dessen Geist eigentlich nur aus Körper besteht, kann ich Ihnen da ein lukratives Angebot machen: Wir werden den perfekten Tag erfinden, erleben und fühlen, na, was halten Sie davon? Keine Sorge, dieses Angebot ist so lukrativ, daß beide Seiten davon profitieren. Ich, liebe Kolumne, hätte vielleicht neuen Stoff für kranke Geschichten, und Sie, lieber Homepageleser, hätten die Zeit Ihres Lebens.
Der perfekte Tag könnte zum Beispiel so aussehen:
Die schiene Sonne schöne bereits, schön während wir aufwöchten. Wir äßen bächerweise Bärlauch, säßen in einem kleinen Café im Pariser Söden, fräßen die längsten Pralinen der Wält, spölten Schach, sprächen noch ein Weilchen über Böhmen und däm Mämelland und gängen um älf gestärkt zum Deutschkurs. Anschließend sähen wir uns einen kubanischen Film an, trönken möhr Likör, hören WDöR und plötzlich schießt Superbomber Herbert Sulzmann-Piepenkötter das 4:0 für den MSV gegen die Bayern, den FC Barcelona oder meinetwegen auch Kickers Emden. Und dann explodieren wir und der Tag ist zuende.
Und plötzlich macht es "puff" und wir sind wieder da, wo wir hingehören. Sie, Bernd, hocken vor dem Bildschirm, lesen in rockraketetonk.de, während Rockrakete Tonk im Stadtwaldduisburg.de auf der Parkbank sitzt und sich aktiv mit dem Sinn des Lebens beschäftigt.
Um ehrlich zu sein, befürchte ich fast, daß Wolke 7 nicht unser Platz ist, Bruder. Wir sind mehr die Down-to-earth-Typen. Was nicht heißt, daß wir auf Spaß verzichten müssen. Genau genommen müssen wir garnichts außer sterben und die neue WOLFMOTHER-Platte kaufen, aber eigentlich müssen wir auch einsehen, daß sich perfekte Tage nicht planen lassen. Sie geschehen einfach. Meist, wenn man nicht damit rechnet und am Morgen noch mit einem kaputten, blauen Müllsack, in dem die zart angewärmten Schlafutensilien der letzten Nacht sanft vor sich hindampfen, im Nieselregen durch Süd-Niedersachsen schlurft.
Warum Göttingen und nicht Barbados?
Nun, am Abend zuvor hatte ich eben dort eine Lesung in einem autonomen Zentrum, in dem Flugblätter herumlagen, die mich darüber aufklärten, daß es sexistisch ist, wenn ich ungefragt die schweren Einkaufstaschen meiner Frau schleppe. Da ich diesen Fehler in der Vergangenheit häufiger begangen hatte und mich plötzlich Schuldgefühle über...äh, sorry...mannten, schleppte ich statt Einkaufstaschen lieber mich selbst durch die Lesung und wichste meine niveaulosen Penisgeschichten als Mahnung direkt in den Raum, wo sie wohl auch als Mahnung verstanden wurden. Natürlich dachte ich heimlich darüber nach, daß es eigentlich auch sexistisch ist, wenn Frauen nicht über Herrenwitze lachen, aber ich wollte auch keine Lanze für Fips Asmussen brechen. Der Abend nahm seinen erwarteten Verlauf. Ich kann nicht behaupten, daß sich meine/ihre Hörer/Hörerinnen vor Lachen/Begeisterung in die Hosen/Röcke strullten und sich auf die Schenkel/Stirn klopften, aber es war auch für mich ein Erlebnis/Reinfall.
Wenn es im Kalender sowas wie Gerechtigkeit gibt, hatte ich mir den perfekten Tag genau jetzt verdient.
Er begann mit dem Moment, in dem ich Göttingen verließ. Für die paar Kilometer Autobahn hatte ich Fuchs mir schmackhaften Kakao aus der Flasche mit praktischem Drehverschluß organisiert, warf mir zuckerfreie Kirsch-Mint-Pastillen ein, wann immer mir der Sinn danach stand und betrieb Konversation mit Menschen, die dafür Verständnis hatten. Es gibt nichts entspannenderes als Autofahrten mit Max und Mona, außer vielleicht ein Schaumbad, und als wir die ersten Außenbezirke von Kassel erreichten, wunderschöne Gewerbegebiete passierten und der fabelhafte Skoda-Scheibenwischer den Nieselregen einfach so beiseite putzte, begann der perfekte Tag Konturen anzunehmen.
In Kassel-Soho angekommen, stellten wir den Wagen erstmal ab und erkundeten zu Fuß das, was wir für Kassel-City hielten. Sich fremde Städte mit Schuhen, aber ohne Stadtplan zu erschließen, ist nach wie vor eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Unwissenheiten im Auge des Betrachters rücken den Charakter einer Stadt in den Fokus, vorausgesetzt, man kann über Architektur lachen und in Gesichtern der Eingeborenen lesen. Wir konnten beides nicht. Es nieselte. Grau war die Farbe des Tages. Wahrscheinlich war Kassel ein Frosch, den man erst wachküssen muß. Aber wo ist Kassels Mund und war der Lippenstift nicht etwas zu groß für diese Stadt? Vielleicht hätten wir mal jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt.
Gäbe es nicht diese gravierenden Altersunterschiede, wären wir wohl zu Jacob Grimm gegangen, den Gebruder, der hier im Jahre 1816 zweiter kurfürstlicher Bibliothekar war.
Der Frosch erweckte ein subtiles Gefühl der Vertrautheit, obwohl Kassel in keinster Weise an andere Städte erinnert. Wir stiefelten an McDonalds, Subway und Karstadt vorbei, ließen Runners Point, Deichmann und Betty Barclay links liegen, bis wir hinter der Döneria Istanbul die CitiBank erspähten und uns erstmal draufsetzten. Ich für meinen Teil beschloß, an der Chronologie meines perfekten Tages festzuhalten und die drei Dinge zu tun, die ein Mann in Kassel wohl tun muß.
1. Ich stellte mich auf den Bahnhofsvorplatz, spendierte meinen Augen eine Body-Vertikaldrehung um 360 Grad, gab mehrere Pirouetten Zugabe und konnte danach immer noch nicht glauben, was man mit einem Pillemannsbaustoff wie Beton für einen Schaden anrichten kann. Also, wer hier ankommt, will sofort wieder weg. Beeindruckend.
2) Um die Emotionen etwas zu kühlen, besuchte ich das Deutsche Tapetenmuseum. Die Räume waren beheizt und verströmten dank der durchaus vorhandenen Tapeten ein angenehm wohnliches Ambiente. Minutenlang eine Wand anzustarren und dabei eins zu werden mit dem Puderzucker, der dem süßen Leben seinen wohligen Geschmack verleiht, ist ein untrügliches Zeichen dafür, daß man sich auch in Kassel geborgen fühlen kann.
3) Was der stillen Euphorie, in der ich im Glanze meines Glückes brühte, die Krone aufsetzte, war mein Reisesouvenir. Die Buchhandlung "Vaternahm" führte doch tatsächlich einen Bildband "DDR-Postkarten" mit vielen schönen Hochhäusern, Straßenzügen und Lenins in allen Farben und Schuhgrößen. Die schönste Karte allerdings enthält weder den Omnibusbahnhof Karl-Marx-Stadt noch das Traditionslager Klim Woroschilow. Sie zeigt einfach nur einen Haufen jubelnder, fröhlicher Kinder mit dem Text "Schulanfang".
Wenn man all das zusammenzählt und leicht zu beeindrucken ist, kann man eigentlich nicht anders, als Kassel für eine geile Stadt zu halten. Das putzige Hessenmetropölchen hat sich seinen Platz in meinem Herzen, direkt neben Braunschweig und Bottrop, redlich verdient.
Dementsprechend gechilled und geflasht fuhren wir am Abend in die "Mutter". Dort sollte ich lesen. Ich kannte den Laden bislang nur aus Tinas Erzählungen und hatte eine vage Vorstellung, die ich am Rock´n´Roll-Lifestyle im Allgemeinen an den unfaßbar netten Betreibern im Besonderen festmachte. In Wirklichkeit hatte ich nicht die leiseste Ahnung. Das Licht, der Sound, die Leute! Ich war im Himmel!
Es gab keinerlei Verständigungsprobleme. Jeder im Laden wußte, was "Bier" bedeutet und wie eine gute "Gitarre" zu klingen hat, wenn man sie mit "Bier" mischt. Die Lesung lief also so, wie ich mir eine Lesung im Idealfall vorstelle, zum Beispiel als Gedankenaustausch unter Gleichgesinnten. Vorher, währenddessen und danach waren wir ausschließlich von wunderbaren Freaks, markanten Männern und wilden Weibern umgeben, was meinen perfekten Tag mit Goldlack versiegelte. Dazu gab es, ich piß mir in die Hose, "Boogie" von UFO, "Shake Some Action" von den FLAMIN´ GROOVIES und haufenweise Punkrock, der einen eben in die Hose pissen läßt, wenn man zu den eher extrovertierten Musikfreunden gehört. Muß ich erwähnen, daß auf dem Klo der weiße Mann auf ´ner Mundharmonika Blues spielte? Sagte ich bereits, daß es Läden gibt, in denen man viel zu selten ist, vollgestopft mit Menschen, die man viel zu selten sieht?
Es tat mir wirklich weh, diesen Ort schon um drei Uhr nachts wieder verlassen zu müssen, zumal Duisburg in all seiner Pracht auch keine wirkliche Alternative zur "Mutter" darstellt.
Ich habe keine Ahnung, ob es einen Zusammenhang zwischen Kassel und einem Song wie "An mein Fenster klopft der Regen" gibt, aber in letzter Zeit höre ich sehr häufig Musik, die mir das suggeriert.
Im Wohnzimmer ist es behaglich. Der braune Teppich endet akkurat an der weißen Fußleiste, kein Bild an der Wand stört den Energiefluß und die über dem Heizkörper baumelnde Gardine ist zugezogen. Das CD-Cover zeigt außerdem, wie in der Mitte dieses Raumes ein ambitionierter, junger Mann mit Augenbinde in zwei Mikrophone brüllt, mit der rechten Hand eine Gitarre festhält und mit der linken eine Faust ballt, während auf dem Boden ein Mischpult und eine CLASH-Platte und eine Aktentasche und eine Flasche Bier und ein Schäferhund ihm treu zur Seite stehen. "Stubenrocker" ist vermutlich der authentischste Titel für dieses Kleinod, das vom nicht minder authentischen ZWAKKELMANN bereits im Jahre 2006 ein- und ausgespielt wurde, aber erst jetzt meinen Nerv trifft. Da ich mir nicht vorstellen kann, daß 19 Megahits einen Stereofreund kaltlassen, möchte ich hiermit diese Schallplatte jedem Bundesbürger wärmstens ans Herz legen. Hier bekommen Sie was für Ihr Geld, das können Sie mir glauben!
"Stubenrocker" enthält sinnfreie Sauflieder, übermütiges RAMONES- und BEACH BOYS-Gewichse, aber auch viel altersbedingte Weisheit, auf die der Künstler nicht immer zwangsläufig einen Reim findet. Ein einziger Rausch voller Tragikomödien ohne Pointen, unerfüllten Sehnsüchten, verletzten Gefühlen und schönen, wenn auch seltenen, Augenblicken des stillen Glücks. Ich persönlich glaube, daß das Leben genauso ist, wie es ZWAKKELMANN besingt, vielleicht nicht im Detail (Tatjana, Mathilda, die dicke Nina), aber im Großen und Ganzen, unter dem Strich. Die Platte balanciert dermaßen elegant auf dem schmalen Grat zwischen feinsinniger Beobachtung, großer Erkenntnis und skurriler Melancholie, daß man denken könnte: Die wahren Genies können nur Bekloppte sein.
Besonders begeistert bin ich vom Opener "Tabularasa machen".
Das ist verdammt noch mal ein Superhit!
Das ist einfach Spitzenklasse!
Und das hier ist die letzte Kolumne, die ich auf meinem Macintosh Kinderrechner von 1992 schreibe. Mona will mir demnächst ihren Laptop leihen. Das kann ja was geben!




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