CHERRY VANILLA
BAD GIRL
(GB 1978)

Im Land der Do-It-Yourself-Experten fällt es nicht weiter auf, wenn man als Lieblingshobby "Onanie" angibt. Schlimm jedoch, wenn man es zu einem Foto von einem materiellen Mädchen tun muß.
Für meinen Geschmack haben die meisten dieser verwöhnten, amerikanischen Vorstadtgören den Sex-Appeal einer Feldkartoffel und würden so gesehen sicher gut zu mir passen, aber man muß es ja nicht gleich übertreiben mit der Völkerverständigung. Zumal es genügend Alternativen in Zeitschriften und auf Videos gibt.
Eins dieser gloreichen Aushilfshühner heißt Cherry Vanilla und hat ihre erste Platte 1978 aufgenommen, als Madonna noch frozen war. Passend zum Image dieser roten Runkelrübe hieß die Platte Bad Girl, weil man in diesem Geschäft ehrlich sein muß und Frau Kirsche Vanille als David Bowies "Mädchen für alles" sicherlich eine bewegte Vergangenheit hat. Na ja. Immer noch besser, als der Mutter beim Abwasch zu helfen.
Aber wo lag ihre Zielgruppe? Ein paar Lieder auf ihrer LP heißen zum Beispiel Foxy Bitch oder Hard As A Rock und da lacht selbst des Schützenkönigs Zipfel. Was der ordinäre Schnauzbart vom Rummelplatz natürlich nicht ahnen kann und es deshalb nun gesagt bekommt, ist, daß diese sensible Aufarbeitung in Verbindung mit der Raffinesse einer suggerierten Erzählperspektive der Protagonistin weit mehr ist als nur literarisches Mittel zum Zweck und deshalb wette ich zehn Kröten darauf, daß alle Beteiligten dieses Albums inzwischen ihre Kohle mit Taxifahren verdienen. Da kann ich nur sagen: "schade", denn ein dermaßen süßes Organ wie das von Frau Vanilla ist mir nie mehr implantiert worden. Dabei fing alles ganz harmlos an.
Cherry nahm ihre ersten Stufen zum Rockgeschäft bereits in den 70ern als Bowies Buchhalterin. Beim allmorgendlichen Blick in die Financial Times muß es dann passiert sein. Cherry bekam mit, daß man plötzlich aus Scheiße Gold machen konnte (Damned, Sex Pistols, Clash) und dazu nicht einmal mehr ordentlich sein Instrument beherrschen mußte (Yes, Gentle Giant, Soft Machine). Selbst eine akademische Ausbildung gar (Yes, Gentle Giant, Soft Machine) war in dieser furchtbaren Zeit kein Garant mehr für ausverkaufte Stadien (Damned, Sex Pistols, Clash). Wirklich furchtbar. Jeder Honsel durfte plötzlich ohne behördliche Genehmigung seine eigene Musikgruppe gründen, was ja schon fast an Anarchie grenzt.
Und was bei einer derartigen kulturellen Inflation durch das Proletariat herauskommen kann, sieht man gut am Beispiel der Ramones: Kaum eine Modulation der Oktavdominanten, kein Crescendo im Flügelhorn, ja nicht einmal ein B-Tremolo einer halbfrequentierten Synkope! Ein Paradebeispiel für die totale Verweigerung und den damit verbundenen Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Bei Cherry Vanilla war das anders. Die kennt heute jeder.
Zurück nach London in das Jahr 1977. In einer kleinen Souterrain-Wohnung saßen ein paar rothaarige Aussteiger vor der kargen Mittagskrippe. Aus der Küche der Mutter dudelte Bat Out Of Hell von Meat Loaf den Porree entlang und im selben Moment verkroch sich Tochter Cherry in´s Air London Studio, um mit dem Gitarristen Louie Lepore ihren größten Hit zu bauen. Heraus kam ein großer Haufen Superrock. The Punk war nicht nur die exakte Mischung aus Meat Loafs Bombastik und der Attitude (oder besser: Der Rotze) der Sex Pistols, sondern auch gleichermaßen wild, smart und abgedreht, was mir der ein oder andere Experte sicherlich bestätigen wird.
Schön. Das Problem ist nur, daß man leider nicht über Cherry Vanilla sprechen kann, ohne an Penis und Vagina zu denken.
Daher muß ich speziell den Männern jetzt mal was sagen, was in den Bereich der Sexualität geht: Wenn Du denkst, Du hast den größten Speer, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.
Daher ist Qualität wichtiger denn je, Qualität und Technik. Schon mal was von Ohral-Sex gehört? Die Sache hat nur einen Haken: Cherrys süße Stimme wirkt bei richtiger Anwendung latent empfängnisfördernd. Sie leckt, und lassen Sie mich das ganz offen und ehrlich sagen, gewissermaßen jeden Schwanz von innen. Nur mit ihrer Stimme, ihrer feuchten Artikulation und verschiedenen heißen Tönen. Das ganze leider mit einem für Punk fatalen Effekt, denn die Wut auf das System weicht sehr bald der Lust nach einem gemütlichen Kuschelabend. Ich denke, das läßt sich nachvollziehen: Bevor ich auf die Straße geh und ´nem Bullen ´n Stein vor die Birne ditsche, tu ich lieber was für mein musikalisches Bettlaken. Klar, für die Punk-Bewegung ist sowas natürlich auch nicht der wahre Jakob und deshalb hat die Platte auch keiner gekauft. Was mir nur recht ist. Auf diese Weise hat man so´ne Frau auf einmal ganz für sich alleine und könnte zum Beispiel sagen: Cherry, heirate mich oder blas mir einen! Leider gehört sich sowas aber nicht. Wir Männer müssen umdenken. Also, liebe Miss Cherry, dann mach mir wenigstens bitte mit deinem Häkelhaken auch so einen schönen Pulli, wie Du ihn auf dem Cover trägst! Dann erzähle ich dir auch von unserem Erlebnis mit Dir, als wir vor etwa acht Jahren einen Unfall bauten, während im Autoradio So 1950s von Deiner Platte lief! Seitdem ist das sozusagen "unser" Lied, zumindest, was Mona und mich betrifft. Ich will da auf keinen Fall für Beifahrer Oberpichler sprechen, der noch grad so schön mit dem Fuß wippte, als es geschah. Aber ehrlich, es gibt kaum eine dösigere Ecke zum Rundfahren als der Kreisverkehr am Duisburger Hauptbahnhof. Ein Augenzeuge schildert den brutalen Crash so: Mona mit ihren sechs Litern Bier in der Magengrube düst also entsprechend keck mit ihrem treuen Freund (ein Fiat Panda) und Butler (ich) durch die Kurve des Grauens, als uns plötzlich ein türkischer Taxifahrer mit seinem Gefährt (Automarke der Redaktion bekannt) irgendwie total uninspiriert und aus reiner Dusseligkeit saublöd in die Seite donnert. Und die Bullen kommen. Und im Radio singt Cherry ihren Song zuende. Und Zepp denkt laut "Watt´n Affe". Und Andiz Zenkertürk klagt sein Leid den Bullen. Die nehmen natürlich prompt die Falsche, nämlich Mona, mit auf´s Revier, wo Schimanski ihr erstmal die Fresse poliert und Tanner zwischen zwei Schluck Kaffee "Horst, das können wir so nicht machen" zischt. Die Nacht war schwül und Mona längst wieder nüchtern, als drei Stunden später ein Arzt eintrudelt und ihr einen Kubikkilometer Blut abzapft.
So ist diese unerquickliche Nacht für die Frau im Vorstadtnutten-Design ja nochmal glimpflich zuende gegangen. Aber glaubt ja nicht, daß seit diesem Massel die Cherry Vanilla-Platte einen Ehrenplatz am heimischen Herd hätte! Nö, aus der Geschichte lernen tu wieder mal nur ich und höre Bad Girl seitdem nur noch angeschnallt im Wohnzimmer.

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